Vulgo Dreckschenke Die wechselvolle Geschichte der Gaststätte - Eine Chronik: Teil 1 1829 bis 1899
Eine der ältesten Darstellungen der Dreckschänke: Lithographie von Hübler & Strödel um 1890
| LEGENDE
Anton Günther in
der Dreckschänke
Wie es zum Lied „Da Draakschenk” und der Liedpostkarte kam
Die Dreckschänke war zwischen 1904 und dem 2. Weltkrieg eine Kultstätte für Tagesausflügler. Maßgeblichen Anteil am Bekanntheitsgrad der Gaststätte an der böhmischen Grenze zu Sachsen hatte das Lied von Anton Günther. Über die Entstehung und den ersten Besuch des Heimatdichters ranken Legenden.
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Eines der ältesten Fotos der Dreckschänke. Es wurde wohl 1885 aufgenommen
Das Rätsel
Zeitverschiebung oder Fälschung? Wer ist der Mann, der vor der Tür der Dreckschänke steht? Das Foto muss vor 1900 entstanden sein, da das Gaststättenholzschild einzeilig ist.
Der Mann könnte Wirt Franz Xaver Hahn sein, rechts am Zaun seine Frau Theresia. Dies würde bedeuten, dass das Foto vor dessen Tod 1887 geschossen wurde, vielleicht sogar zum 50-jährigen Jubiläum 1885. Auf Postkarte erschien es erstmals aber erst um 1901. Interessant: Der Schriftzug „Hahn's-Gasthaus“ wurde auf der Chromographie-Postkarte durch „Dreckschänke“ ersetzt. So existierte er in Wirklichkeit nie.
Großer Auflauf
Anziehungskraft Dreckschänke. Wenn ein Fotograf sich in der Dreckschänke anmeldete, wie zum Beispiel der Johanngeorgenstädter Postkarten-Verleger Stopp, dann setzte oft eine Volkswanderung ein. Jeder wollte mit aufs Bild.
So wie hier 1907, als ein
ganzes K.u.K.-Grenzregiment
auf Skiern anrückte
...oder als der Sächsisch-
Thüringische Automobilklub zahlreich vorfuhr (1907)
Stammpersonal
Nicht nur Anton Günther war in der Dreckschänke bekannt.Viel häufiger als Stimmungsmusiker anzutreffen war Martin Rich. Er gehörte fast
40 Jahre zum festen Inventar, genau wie die zur 100-Jahrfeier mit einer goldenen Brosche geehrte dienst-älteste Angestellte des Hauses,
Emma Behr, die 1935 ihr 50-jähriges Jubiläum als häusliche Mitarbeiterin beging. Sie war die Mutter des Breitenbacher Chronisten Rudolf Behr, der nach der Vertreibung in Estenfeld lebte.
Martin Rich war die Stimmungskanone in der Dreckschänke
| SCHMÖKERN
Jubiläumsschrift 1935 „Die 100-jährige Dreckschänke” Sohie Weickert und Kinder,
Breitenbach, den 28. April 1935,
20 Seiten,14,4 x 22,5 cm „Das Geldmannl in der Dreckschänk” Erzgebirgsposse in einem Aufzug, Alexis Kolb, 1925, Handlung 1870
Thümmlers Theater-Bücherei Bd. 13/14, 40 Seiten, 11,5 x 15 cm
| HISTORISCHES
Verpönte Räuberhöhle mit
einem windschiefen Strohdach
1829-1834 Treffpunkt lichtscheuer Gestalten und Spieler
Das Baujahrjahr der Dreckschänke bleibt unklar. Fest steht, dass das Haus 1829 einem Wenzel Dörfler gehörte und die Hausnummer 94 hatte.
Am 30. November 1834 kam es
in den Besitz von Josef Korb durch einen „...gerichtlichten Edikt des löbl. obrichkeitlichen Amtes im k.u.k. Montan-Wald-Dominiumsortes Breitenbach zu St. Joachimsthal mit der Befugnis der obrigkeitlichen Beherbergungs-, Bewirtungs- und Fleischaushauungs- gerechtigkeit.”
Fünf Jahre betrieb Korb die Wirtschaft eher erfolglos, konnte bei Vorbesitzer Dörfler 1834 immer noch nicht die Kaufsumme von 1400 Gulden begleichen, was durch Sachsens Eintritt in den Zollverband und dem dadurch ab 1834 fast völlig zum Erliegen gekommenen Speditions- und Grenzverkehr aussichtslos erschien. Korb hatte ohnehin einen schlechten Ruf, musste die Konzession abgeben. Der einst bekannte böhmische Dichter Alexis Kolb bezeichnete die Dreckschänke dieser Zeit 1935 als
„...düstere Schänke am Straßenrand; ... das Strohdach windschief und die Fenster zerschlagen...” Kolb beschrieb in seinen Erinnerungsblättern noch weiter lyrisch die Klientel der Dreckschänke so: „...und drinnen bei qualmenden Kienpfannschein; bei Karten und Würfel und trüben Wein; am ungehobelt, gezimmerten Tisch;
von unheimlich' Gesellen ein buntes Gemisch. Lichtscheue Burschen, Falschspieler und Säufer, Wildschützen, Pascher und Scherenschleifer; und was sich sonst alles zusammengefunden an den Waldkreuzwegen in den Mitternachtsstunden..." Das erklärt natürlich den schlechten Ruf der Schänke bei den Einheimischen. Den Namen „Dreckschänke” beförderte wohl auch der enorme Straßendreck. Zwischen 1819 und 1849 war die Poststraße zwischen Karlsbad und Schwarzenberg direkt vor der Gaststätte in einem Zustand gewesen, weswegen sie von Reisenden und Lastentransporten zunehmend gemieden wurde.
„Vulgo Dreckschenke”
1835-1887 Die Hahn-Familie übernahm das Wirtshaus
Johann Adalbert Hahn, genannt „Wertl”, ein Tischler und Verwandter des sagen-umwobenen Pater Adalbert Hahn aus Platten („Faust des Erzgebirges”), übernahm trotz aller Risiken am 28. April 1835 das Wirtshaus und benannte es „Hahn's Gasthaus”.
Ab 1847, als die alte Poststraße ausgebaut und zur stark befahrenen Bad-Straße wurde, ging es auch mit der Gaststätte richtig bergauf. So sehr, dass Hahn fünf Fremdenzimmer einrichtete und 1857 erst 766, dann 1860 die restlichen 650 Quadrat-Klafter (2 Joch) des angrenzenden Waldes kaufte und den Röhrenwasserüberfall der benachbarten Schmiede (Haus Nr. 8, Josef Kolb) erwarb. Die Dreckschänke war da offensichtlich im Erzgebirgsraum bereits bekannt geworden. Den Ruhm bestätigte erstmals Elfried von Taura in seinen „Erzgebirgischen Hausblättern“, Heft 8, die 1861 in Annaberg erschienen. Darin lockt ein Führer eine Reisegesell-schaft nach Breitenbach, wo diese die
„berühmte Dreckschänke“ mit ihrem frischen Gerstensaft erwartete. „...Doch müssen wir uns wohl hüten, den Namen hier auszusprechen. Auch hier finden wir, daß dieser Name gar nicht paßt; denn es ist ein gar sauberes Wirtshaus, das uns hier aufnimmt. In der Tat gehört auch der unsaubere Name einer früheren Zeit an, wo hier noch eine alte Wirtschaft war.“
Nur drei Jahre führte Franz Xaver Hahn († Juni 1887) die Gaststätte, litt unter einer schweren rheumatischen Erkrankung. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes lag die Last allein auf den Schultern der aus Schlackenwerth stammenden Witwe Theresia Hahn, geb. Leiner. Diese hatte nicht nur in der Küche in glückliches Händchen. 1885 brachte sie über der Tür am alten Holzschild über dem Bindestrich des Schriftzuges „Hahn's-Gasthof” ein kleines ovales Porzellanschild an. Darauf stand: „Vulgo Dreckschenke”.
Aus dem Namensfluch
wurde ein Segen.
„Resi” krempelt den Laden um
1887-1900 Theresia Hahn schwang das Zepter schon Jahre zuvor
Theresia Hahn, genannt „Resi”, geborene Leiner, aus Schlackenwerth stammend, übernahm die Dreckschänke nach dem Tod ihres Mannes Franz Xaver Hahn im Juni 1887. Sie schwang aber schon viele Jahre zuvor das Zepter in der Gaststätte. In den Wirtschaftsbetrieb stieg sie schon 1865 ein, erhielt zehn Jahre später von Franz Xaver Hahn zum genau richtigen Zeitpunkt einen Heiratsantrag, als durch ein Sängerfest in Johannge-orgenstadt ihre Hilfe besonders gefragt war.„Der Besuch ist sehr stark, wir haben übermäßig viel zu tun. Alle Stammgäste freuen sich auf Dein Erscheinen, um Dich bald als Hausfrau begrüßen zu können”,
schrieb ihr Franz Xaver Hahn 1875. Im selben Jahr heiraten beide. Theresia Hahn wuchs schon kurz darauf in die Rolle der Wirtin. Der verwitwete Johann Adalbert (Frau Ottilie Hahn starb 1873) war hochbetagt und ihr Mann Franz Xaver konnte durch eine schwere rheumatische Erkrankung geschäftlich kaum tätig sein.
Unter Theresia Hahn blühte die Dreckschänke auf, wurde zum beliebten Sommerfrische-Ausflugsziel - heute würde man vielleicht treffender Wochenendausflugsziel sagen. 1895 hatte sie die Anzahl der Fremdenzimmer auf sechs auf gestockt. Sie starb nur 57-jährig am 20. Januar 1900.
Die letzte Postkutsche
15. Mai 1899 Bahnstrecke nach Karlsbad machte sie überflüssig
Die Straße vor der Dreckschänke war eine wichtige Postverbindung zwischen Karlsbad und Schwarzenberg. Um 1870, mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie zwischen Karlsbad und Eger wurde vieles anders. Das Geschäft mit der Postkutsche, die auch gutbetuchte Reisende beförderte, lief zunehmend schlechter. Ein Grund war auch der hohe Verlust an Pferden, die schnell verschlissen waren, im Frühjahr zu stolzen Preisen eingekauft werden mussten und die verbliebenen im Herbst nur noch Spottpreise erzielten.
Die Einweihung der Bahnstrecke zwischen Johanngeorgenstadt und
Karlsbad brachte das endgültige Aus. Am 15. Mai 1899 fuhr die letzte Postkutsche auch noch ein letztes Mal vor der Dreckschänke vor, und wurde feierlich verabschiedet. „Behüt dich Gott es war so schön gewesen!”. Das stets in der Mittagsstunde von Postillion Karl Schwenksbier, oder dem 30 Jahre die Strecke fahrenden Postillion Adolf Herrmann in stattlicher Paradeuniform ins Horn geblasene Signal war an der Karlsbader Straße weithinzu hören, kündigte nach dem letzten Halt in Böhmen schon in Johanngeorgenstadt die nahende schwarz-gelbe Postkutsche an. Im Mai 1899 endete dieses Kapitel.
Die letzte Postkutsche vor der Dreckschenke am 15. Mai 1899.
Postillion Karl Schenksbier wird von Wirtin Theresa Hahn verabschiedet.
Auf dieser Aufnahme ist das Porzellanschild deutlich zu erkennen.
wird mit den Jahren 1900 bis 1945 fortgesetzt
| CHRONIK
Die Wirte
bis 1829: Als Inhaber
Wenzel Dörfler verzeichnet. 1829 bis 1834: Josef Korb.
1835 bis 1884: Johann Adalbert Hahn, anfänglich Tischler, dann Gemischtwaren-Kaufmann aus Platten († 1884). „Hahn's-Gasthaus”.
Joh. Adalbert Hahn mit Frau Ottilie geb. Braun um 1865
1884-1887: Sohn Franz Xaver Hahn, ebenfalls Tischler und Gastwirt aus Platten († Juni 1887).
Franz Xaver Hahn
1887-1900: Frau Theresia geb. Leiner († 20. Januar 1900).
Theresia Hahn, geb. Leiner
1900-1945: Tochter Sophie
(* 6. September 1877, † 1960
in Quedlinburg) übernahm
23-jährig die Gaststätte.
Sophie Weickert um 1935
Sie heiratete am 19. November 1901 Richard Weickert aus Johanngeorgenstadt, der die Gaststätte dann von 1901 bis 1921 bewirtschaftete.
Richard Weickert sen.
Sophie Weickert führte die Gaststätte nach dem plötzlichen Tod ihre Mannes von 1921 bis 1945 nahezu allein weiter.
Zwischenzeitlich wurde sie unterstützt von Sohn Richard jr., der dann allerdings aus dem Zweiten Weltkrieg nicht heimkehrte, als verschollen gilt. Er sollte nach dem Krieg die Gaststätte eigentlich übernehmen. (LPK)
Quellen: Rudolf Behr: Die Geschichte der Dreckschänke, Nr. 176, 1. Mai 1970 und Hundertjahrfeier der Dreckschänke, Nr. 48, 1954, Neudeker Heimatbrief; Max Müller: Die Dreckschänke, Nr. 352, 1996, Neudeker Heimatbrief; Sophie Weickert und Kinder: „Die 100jährige Dreckschänke”, Jubiläumsheft, Breitenbach, 1935
Letzte Aktualisierung: 13. Oktober 2012 Erstellt mit Adobe Dreamweaver CS5. Optimiert für Mozilla Firefox. Javascript erforderlich.